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Deutscher Mittelstand entdeckt Brasilien

Deutsche Familienunternehmen haben den Boom in Brasilien verschlafen – und holen das jetzt nach. Vor dem Erfolg müssen sie allerdings manches lernen.

Benedikt Heid ist 29, trägt Hornbrille, Jeans und ein weißes Hemd ohne Krawatte. Seit Januar 2010 ist er Geschäftsführer des Mittelständlers Prominent in Brasilien. Stolz zeigt er auf das Schild vor der Fertigungshalle: "Seit 799 Tagen arbeiten wir unfallfrei – 799 Tage, so lange gibt es diese Halle." Seit Heid in São Bernardo do Campo, einem Vorort von São Paulo, der Chef ist, stehen die Weichen auf Wachstum.

Die Zahl der deutschen Delegationsreisen nach Brasilien hat sich im letzten Jahr verzehnfacht Lange hat der deutsche Mittelstand Brasilien verschlafen. Doch nun zieht er aus, um das Land zu erobern. Wer noch nicht da ist, schickt ein Erkundungsteam. Und wer schon da ist, baut aus und setzt wie bei Prominent auf eine neue Generation von Managern.

"Die Deutschen haben in den letzten zehn, 20 Jahren hier zu wenig investiert", sagt Valmor Kerber, Leiter der deutsch-brasilianischen Handelskammer in Porto Alegre. "Da war China im Vordergrund. Das hat sich jetzt verändert." 2008 waren es noch acht bis zehn Delegationsreisen, die aus Deutschland nach Brasilien kamen, letztes Jahr plötzlich das Zehnfache.

Die Großen sind in Brasilien schon lange vertreten – und gut im Geschäft. Siemens verlegte 1867 die erste Telegrafenleitung durch den brasilianischen Dschungel. Derzeit liefert es die Steuerungstechnik für die erste fahrerlose U-Bahn Brasiliens, die gelbe Linie vier, die in São Paulo seit 2010 durch vom deutschen Unternehmen Herrenknecht gebohrte Tunnel saust. Hinab zu den Bahnsteigen führen Hunderte Meter lange Rolltreppen von ThyssenKrupp.

Brasilien ist nicht einfach. Die Bürokratie ist unübersichtlich, das Steuersystem kompliziert. "Es heißt, 70 Prozent der Steuergesetze auf der Welt sind auf Portugiesisch, und das liegt bestimmt nicht an Portugal", sagt Hartmann. Das treibt die Produktionskosten nach oben, zudem sind Fachkräfte knapp, deren Löhne liegen teils höher als in Deutschland. "Wenn man die Produktionskosten vergleicht, wird man immer stutzig", sagt Heid. "Aber das Preisniveau ist hier eben auch entsprechend – und man wächst stärker."

Dass Brasiliens Wirtschaftswachstum derzeit nachlässt, scheint die deutschen Mittelständler nicht abzuschrecken. Heid sagt: "Für die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 in Rio wird hier so viel investiert – da ist genug für uns da." Ob es danach anders aussehen könnte, wagt er nicht zu prognostizieren. "Ich wüsste nicht, wo hier die Grenzen sind. Ich glaube, wir haben den Markt noch nicht einmal angekratzt."